Was den Schweizern die Nachtruhe wert ist

Nachtfahrverbot für Lastwagen soll weiter aufgeweicht werden Sie sind gross, schwer, laut und stinken. Die Rede ist von den Brummis, ohne die eine moderne Industriegesellschaft kaum auskommt.

Alles was an Gütern nicht auf der Schiene transportiert werden soll oder kann, bewegt sich auf tausenden Camions über die Autobahnen und Landstrassen. Und das bei Tag und auch in der Nacht.

Das Schweizer Nachtfahrverbot kennt mittlerweile so viele Ausnahmen, dass auf einigen Autobahnabschnitten selbst zu nachtschlafener Zeit jede Minute ein dröhnender Lastwagen an den Kontrollstellen vorbei donnert. Als wäre das nicht genug, sind jetzt die LKW-Lobbyisten und der Gewerbeverband dabei, das Nachtfahrverbot weiter aufzuweichen.

Schneller, frischer, lauter

Der Wunsch der Konsumenten nach stets frischer und vor allem immer verfügbarer Ware ist ein Grund für mehr Güterverkehr auf den Schweizer Strassen, der dem Gewerbeverband in die Hände spielt. Letztlich sind es die Verbraucher selbst, die nach immer frischeren Waren praktisch zu jeder Tageszeit rufen. Dazu kommt, dass in modernen Industriebetrieben die teure und aufwändige Lagerhaltung immer weiter zurückgefahren wird. Das bedeutet, dass Zulieferbetriebe ihre Teile ständig in die Montagebetriebe fahren müssen, um dort die Produktion nicht abreissen zu lassen.

Dass auch in den grossen Montagefirmen im Drei-Schicht-Rhythmus gearbeitet wird, macht die Situation nicht einfacher. Können Zulieferteile zu jeder Tageszeit transportiert werden, spart das Lageraufwand bei den Zulieferern genauso wie bei den Monteuren. Und wenn der Joghurt morgens frisch bei Coop stehen soll, dann muss er eben nachts auf Reisen gehen. Stellt sich hier die Frage, was den Schweizern ihre Nachtruhe noch wert ist. Denn in der Endkonsequenz sind es die Konsumenten selbst, die nach den Nachtfahrten rufen.

Zwei Stunden mehr

Sowohl die Lastverkehr-Lobbyisten als auch der Gewerbeverband wollen das Nachtfahrverbot um ganze zwei Stunden beschränken. So soll bereits ab vier Uhr gefahren werden können und dann durch bis 23 Uhr in der Nacht. Zwei Stunden mehr Lastwagenverkehr bedeuten dann eben zwei Stunden mehr Lärm, aber auch eine Entlastung vieler ohnehin schon oftmals staugeplagter Streckenabschnitte. Was an mehr Zeit zur Verfügung steht, wird im Stau weniger unterwegs sein. Auch eine Logik, die zumindest den Brummifahrern selbst, aber auch einigen Berufspendlern entgegen kommt.

Für die Lastwagenfahrer selbst bedeutet eine mögliche Verschlankung des Nachtfahrverbotes ein Plus an Leistungskraft, Flexibilität und Qualität. So blieb bislang so mancher Fahrer zwei Stunden vor dem Ziel auf irgendeinem Parkplatz stehen und musste dort die ganze Nacht verbringen. Dabei war das Ziel und damit vielleicht ein ordentliches Bett schon greifbar nahe. Und auch die Spediteure selbst könnten manchem Engpass entgehen, wenn einfach nur mehr Zeit zur Verfügung stünde.

Lohnt sich das?

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit wird hier vor allem von Spediteuren, lieferabhängigen Betrieben und vom Handel gestellt. Für die lohnt sich die geplante Aufweichung des Lastwagen-Nachtfahrverbotes allemal. Eher in Bedenken wiegen sich die Natur- und Umweltschützer und alle, die direkt an vielbefahrenen Autobahnen und Landstrassen wohnen. Was für die Lastwagen ein Plus an Leistungsfähigkeit ist, bedeutet für sie nämlich ein Minus. Ein Minus an Schlaf, Ruhe und Ausgeglichenheit. Und die braucht jeder Arbeitnehmer, wenn er tagsüber wieder respektable Leistungen im Beruf erbringen soll. Frischer Joghurt hin oder her! Und auch Kinder und Senioren werden im Schlaf gestört, wenn ab vier Uhr und bis 23 Uhr die schweren Brummis über die Strassen rumpeln.

Lösung wird schwierig werden

Bei der Eingrenzung des Nachtfahrverbotes auf nur noch fünf Stunden liegt einiger Konfliktstoff in der Luft. Ob hier eine einfache gesetzgeberische Lösung der richtige Weg ist, bleibt abzuwarten. Je konzentrierter sich die Diskussion um das Nachtfahrverbot gestaltet, desto kampflustiger werden auch die Gegner einer solchen Einschränkung. Immerhin war es ein mühevolles Ringen um überhaupt zum bestehenden Nachtfahrverbot zu kommen. Und das wurde über die Jahre hinweg ohnehin schon deutlich genug mit Ausnahmen aufgeweicht.

Was ist mit der Bahn?

Je lauter Lobbyisten, Spediteure und der Gewerbeverband nach Veränderungen im Nachtfahrverbot verlangen, desto klarer stellt sich auch die Frage nach der Rolle der Bahn. Mehr Güter auf die Schiene ist eine mittlerweile schon recht alte Forderung, die sich aber nie so ganz durchgesetzt hat. Das liegt sicherlich auch im starren technischen System der Schiene begründet. Die Bahn fährt nun einmal nicht direkt bis zum Einzelhändler, viele kleine Betriebe haben nicht einmal einen Bahnhof in der Nähe. Selbst Güter, die heute schon auf der Schiene von A nach B transportiert werden, müssen dann doch noch meist den Weg vom Güterbahnhof bis zum Bestimmungsort auf dem Lastwagen transportiert werden.

Ein Umstand, der nicht nur Zeit raubt, sondern auch weitere Kosten verursacht. Da haben es die Anrainer Deutschland und Österreich zumindest in einem Punkt einfacher. Hier bieten die grossen Flüsse zusätzliche Verkehrswege, die sich nicht um Nachtfahrverbote scheren müssen. Für die Schweiz bleibt aber letztlich nur der Weg über Kompromisse, wenn die Waage zwischen wirtschaftlichen Erfordernissen und einer angemessenen nächtlichen Ruhezeit doch irgendwie gehalten werden soll. An manchen Autobahnabschnitten stellt sich aber jetzt schon die Frage, wie gross der Unterschied zwischen einem Lastwagen oder zwei Lastwagen in der Minute zu nächtlicher Zeit ist. Wahrscheinlich kaum signifikant.

 

Oberstes Bild: © ruigsantos – Shutterstock

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