Bier aus Spezialhopfen – die kleinen Brauereien sind zu erfolgreich
von Tobias Wolf
Während die Grossbrauereien über rückläufige Verkaufszahlen und eine sinkende Nachfrage bei traditionellen Biersorten klagen, brechen Biere mit speziellem Bitter- oder Aromahopfen alle Verkaufsrekorde, sagt Alois Gmür, Inhaber der Brauerei Rosengarten in Einsiedeln und Präsident der Klein- und Mittelbrauereien der Schweiz.
In den USA feiert das sogenannte Craft Beer einen ganz besonderen Erfolg, wodurch sich die Anzahl der Brauereien dort innerhalb von zehn Jahren mehr als vervierfacht hat. Trotz des schrumpfenden Gesamtmarktes konnten die 4500 Bierproduzenten in den Vereinigten Staaten dieses Jahr dadurch ein Verkaufsplus von über 17 % verzeichnen.
Auch die Schweiz kann einen starken Zuwachs bei den Brauereien vermelden. Existierten 1990 gerade einmal 30 Brauereien, so stieg diese Zahl bis Ende letzten Jahres auf stolze 409 an. Brauereien wie die Bündner Biervision Monstein oder die Urner Kleinbrauerei produzieren rund 1.000 verschiedene Biersorten, von denen die meisten aus sogenanntem Flavour-Hopfen gebraut werden. Diese Spezialhopfen gibt es in den unterschiedlichsten Varianten: von Pinienduft und Zitrusaroma über Karamell- und Mandarinengeschmack bis hin zum Vanille- und Grapefruitduft. Es ist diese Vielfalt, die für den ausgesprochenen Erfolg der kleinen Brauereien verantwortlich ist. Auf diese Weise heben sie sich von den Standardsorten ab, die zwar eine lange Haltbarkeit besitzen, dafür aber alle einen ähnlichen Geschmack im Mund hinterlassen.
Rohstoffmangel verhindert neue Biersorten
Das grosse Erfolgsgeheimnis der Kleinbrauereien wird aber zugleich zu ihrem grössten Problem, denn zum Brauen dieser ausgefallenen Biere benötigt man spezielle Flavour- bzw. Aromahopfen. Diese tragen verheissungsvolle Namen wie Nelson Sauvin, Mandarina Bavaria oder Hüll Melon, sind allerdings mit einem verhängnisvollen Problem behaftet: Aufgrund der immensen Nachfrage der Brauereien sind sie zu heiss begehrter Mangelware geworden. Dies geht so weit, dass einige Sorten seit Juli dieses Jahres sogar vollständig ausverkauft sind.
Der Rohstoffmangel führt dazu, dass die Bierbrauer viele ihrer geplanten Neukreationen nicht auf den Markt bringen können. So auch Kleinbrauer Gmür, der seine geplante Biersorte mit Mandarinenaroma nicht umsetzen kann. Laut eigener Aussage musste er diese Idee verwerfen, da am Markt kein entsprechender Hopfen aufzutreiben war.
Auch in der Doppelleu Brauwerkstatt in Winterthur hat man mit der Rohstoffknappheit zu kämpfen. Die Brauerei gilt in der Schweiz als eine der grössten Spezialitätenbrauereien für obergärige Biere und produziert derzeit elf Sorten des edlen Gerstensaftes. Auf die Einführung von neuen Sorten musste in Winterthur zwar noch nicht verzichtet werden, allerdings musste man von den ursprünglich geplanten Ideen abweichen und unter grossem Zeit- und Rechercheaufwand nach einem alternativen Hopfen suchen, berichtet Geschäftsführer Philip Bucher.
Preise explodieren
Probleme bereiten den Brauern aber nicht nur die Verzögerungen bei den Produkteinführungen, sondern auch der Preis des Hopfens. Durch die starke Nachfrage sind die Preise der speziellen Hopfensorten in den letzten Jahren rasant angestiegen. Zum Teil sogar um bis zu 100 %, wie Bucher berichtet. So sind die Flavour-Hopfensorten inzwischen bis zu sechsmal teurer als die traditionellen Sorten.
Diese starken Preisunterschiede schlagen sich natürlich auch in den Verkaufspreisen der fertigen Biere nieder. So zahlt man im Restaurant rund vier Franken für ein herkömmliches Bier, während eines der neuen Spezialbiere mit bis zu acht Franken doppelt so teuer ist. Ob der Rohstoffknappheit sind weitere Preisanpassungen zwar nicht ausgeschlossen, erwartet wird dies von den Bierbrauern allerdings eher nicht. Ihre Hoffnung ist, dass sich die Knappheit der Spezialhopfen bald legen wird, da zum einen die Ernte dieses Jahr deutlich besser ausfallen soll als im letzten und zum anderen die Anbaugebiete weiter vergrössert wurden.
Spezialhopfen jetzt auch aus der Schweiz
Auch wenn die Forscher bereits seit 15 Jahren an den Flavour-Hopfen gearbeitet haben, werden sie in grösserem Stil erst seit drei Jahren angebaut. Aus diesem Grund werden die Hopfenpflanzen auch erst jetzt ihren vollen Ertrag erbringen, wie Hopfenhändler Beggiato erklärt. Problematisch wäre allerdings, dass die Anbauflächen noch sehr begrenzt seien, auch wenn diese laufend weiter ausgebaut werden würden. So wird in Deutschland gerade einmal auf knapp 290 Hektar Flavour-Hopfen angebaut, was weniger als zwei % der gesamten Produktionsfläche entspricht. Neben den USA ist Deutschland einer der Hauptlieferanten für die gefragte Bierzutat.
Auch die Schweizer Landwirte möchten sich nun an der Produktion von Flavour-Hopfen beteiligen. Allerdings handelt es sich dabei um ein nicht so einfaches Vorhaben, da neue Züchtungen in den ersten Jahren geschützt sind und nur im Herkunftsland angebaut werden können. Wie Markus Reutimann, Landwirt in Unterstammheim ZH, berichtet, würde man aber schon in Kontakt mit den Hopfenzuchtstationen in Deutschland stehen, um über die Freigabe einiger Sorten zu verhandeln.
Durch eine neue Produktion von Schweizer Spezialhopfen würde sich die Situation am Markt allerdings kaum verändern, denn selbst die Anbauflächen von herkömmlichem Hopfen sind in der Schweiz äusserst gering. So beläuft sich die Gesamtproduktion von traditionellem Hopfen hierzulande nur auf rund 34 Tonnen im Jahr, was gerade einmal ein Zehntel des jährlichen Bedarfs deckt.
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