Klimawandel schuld? Die Schweizer Alpen bröckeln
von Claudia Göpel
Die Schweizer Alpen, das von den Geologen am besten erforschte Bergmassiv der Welt, wird kontinuierlich kleiner. In ein paar Tausend Jahren hat sich die Höhe halbiert, dann sind die Alpen nur noch eine mittelgrosse Hügellandschaft.
Klimaforscher sind der Meinung, dass der Klimawandel am Bröckeln der Alpen schuld sei. Das stimmt nur zum Teil, denn die Veränderung ist Teil des ständigen Wandels unseres Planeten: Gesteinsschichten werden aufgeworfen, Flüsse und Gletscher raspeln tiefe Rinnen, Schluchten und Täler in die Alpen. Im Frühjahr ergiessen sich Geröllströme von den Berghängen. Einige der bekanntesten Gipfel sind im Innern fast hohl und erinnern an Bimsstein. Schnee, Eis und Schmelzwasser durchlöchern die Gesteinsstruktur. Die abgetragenen Gesteinsmassen aus den Bergen werden durch das Molassebecken aufgefangen und bilden eine eigene Hügellandschaft im Alpenvorland. Mehrere Millionen Kubikmeter Substanz aus den Berggipfeln liegen hier.
Die Schweizer Alpen verschwinden im Zeitraffer
Was sich anhört wie ein Schreckensszenario, ist nur im Zeitraffermodus wirklich zu erklären. Die Entstehung der Alpen hat Jahrmillionen gedauert, deshalb werden sie auch nicht von heute auf morgen verschwinden. Doch die Tage der Schweizer Alpen sind gezählt – für das Universum ist diese geologische Umgestaltung unseres Planeten nur ein Wimpernschlag.
Die Bergketten der Alpen bestehen aus drei erdgeschichtlich relevanten Gesteinsplatten. In den Schweizer Alpen sind Afrika, Europa und der ozeanische Bodengrund vereint, denn ihre Geburt haben die Alpen dem Übereinanderschieben dieser tektonischen Platten zu verdanken. Die heutigen Viertausender falteten sich zur damaligen Zeit auf über 6000 Meter auf. Während der Eiszeiten waren die Alpen von kilometerdicken Eismassen bedeckt, nur die Bergspitzen ragten heraus und wurden von den sich bewegenden Gletschern kantig geschliffen. Bereits kurz nach der Entstehung begann auch schon die Erosion, die Abtragung der enormen Gesteinsmassen, die sich in der jüngsten Erdgeschichte, nämlich heute, bereits in der Endphase befindet.
Unberechenbare Alpen: Bergsteigen wird gefährlicher
Die Schweizer Alpen schrumpfen. Gerhard Lieb, der als Professor an der Grazer Universität arbeitet, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Auf- und Abbau der Alpenregion. Für Bergfreunde, Bergwanderer und Bergkletterer bedeutet der geologische Strukturwandel: Die Alpen werden gefährlicher und unberechenbarer. Steinschlagrisiko und Sturzgefahr erhöhen sich.
Natürlich ist auch der Klimawandel schuld, der Eis und Gletscher ins Wanken bringt. Wenn die Alpengletscher schneller schmelzen, dann macht das Schmelzwasser nicht nur den Berg poröser, sondern die Eismassen wandern auch zügiger und tragen mehr Gestein ab. Höhere Lagen ab 2500 Metern sind besonders betroffen. Die Wegewarte aktualisieren die Gefahrenstellen regelmässig im Wegehandbuch der Alpenvereine.
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