Job und Familie: Eltern sind auch im Beruf produktiver als Kinderlose
von Agentur belmedia
Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen – das ist ein Thema, das nicht nur die Familien als Dauerbrenner beschäftigt, sondern auch Unternehmen, Medien und Öffentlichkeit. Familienfreundlichkeit ist in vielen Unternehmen längst ein entscheidendes Kriterium bei der Imagepflege geworden. Die Zahl der hochqualifizierten Frauen, die trotz Familienplanung gleiche Karrierechancen wie ihre männlichen Kollegen fordern, liegt im Aufwärtstrend.
Doch bei vielen Personalplanern ticken die Uhren nach wie vor anders. Vorurteile, dass Arbeitnehmer – besonders Frauen – mit Kindern ein Ausfallrisiko darstellen könnten, bestimmen häufig Personalentscheidungen. So erleben viele Mütter nach der Babypause den Knick in ihrer Karriere.
Das ist fatal, denn meist lässt sich dieser Bruch nicht mehr so einfach korrigieren. Eine internationale Studie, vorgelegt von den Universitäten Konstanz und Zürich sowie dem Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), befasst sich mit der Untersuchung zu Produktivität und Karrierewegen von Eltern. Die Wissenschaftler kamen darin zu dem Ergebnis, dass zumindest die Akademiker unter den Eltern oft besonders produktiv sind im Vergleich zu Kinderlosen. Diese Wertung basiert nicht auf Leistungsmöglichkeiten oder -grenzen in bestimmten Lebensphasen, sondern auf der Gesamtbilanz.
Die Geburt von Kindern schränkt die Produktivität ein
Für diese Studie wurden rund 9900 Mitglieder einer Online-Plattform für Wirtschaftswissenschaftler befragt, der Frauenanteil lag bei etwa 23 %. Bei einem Drittel der Teilnehmer handelte es sich um Angestellte an Universitäten. Von den Befragten waren 12 % in öffentlichen Institutionen sowie bei Regierungsorganisationen tätig, 9 % waren Mitarbeiter politischer Institute und diverser Unternehmen. Die Wissenschaftler legten einen Schwerpunkt bei der Untersuchung auf die Forschungstätigkeit der Ökonomen.
Diese konnten sie deren persönlichen Profilen auf der Online-Plattform entnehmen. Ausschlaggebend für eine hohe Bewertung der Produktivität als Forscher war eine möglichst hohe Anzahl von Publikationen in renommierten Fachjournalen. Das Ergebnis zeigte, dass die Männer im Vergleich zu den weiblichen Studienteilnehmern die Nase vorn hatten. Allerdings zeigte sich auch, dass sowohl bei Frauen als auch Männern die Zahl der Fachpublikationen abnahm, sobald sie Kinder hatten.
Frauen schneiden deutlich schlechter ab
Die Frauen schnitten allerdings deutlich schlechter ab: Ab der Geburt ihrer Kinder bis zum Beginn des Teenageralters ging die Anzahl der Publikationen um 17 % zurück. Bei den männlichen Studienteilnehmern betrug dieser Wert nur 5 %. Um genauer zu analysieren, wie sich bei den Müttern die Anzahl der Kinder auf den Produktivitätsverlust auswirkt, wurden die Mütter von den Studienautoren auch dahingehend befragt. Das Ergebnis ist ebenfalls aufschlussreich: Bei einem Kind nahm die Produktivität um etwa 10 % ab, bei zwei oder drei Kindern um 22 % beziehungsweise um 33 %.
Produktivität von Eltern im Vergleich zu Kinderlosen trotzdem höher
Diese Ergebnisse sorgen keineswegs für Überraschung, denn wer Familie hat, weiss auch um den Arbeitsaufwand, der viel persönlichen Einsatz erfordert. Interessant ist dagegen die Bewertung der Lebensarbeit der Studienteilnehmer, sofern ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen ein Urteil erlauben. Die Studie zeigte, dass die Eltern sowohl vor der Geburt der Kinder als auch in späteren Lebensabschnitten mit weniger familiärer Belastung besonders produktiv waren. Mehr noch – die Untersuchungsergebnisse legen sogar nahe, dass in der Gesamtbilanz die Befragten mit zwei oder mehr Kindern eine höhere Produktivität zeigten als ihre Fachkollegen ohne Kind oder mit nur einem Kind.
Die Forscherinnen und Forscher, die später eine Familie mit Kindern gründeten, waren offensichtlich vorher in der wissenschaftlichen Arbeit schon etwas aktiver als ihre Kollegen, die kinderlos blieben. Die Autoren der Studie ziehen daraus den Schluss, dass dieser Vorsprung in der Produktivität bei den Eltern auch später, nachdem die familiäre Belastung abnimmt, wiederkehrt. Väter wie Mütter holen den zeitweiligen Leistungsrückstand gegenüber Kinderlosen auf und können diese auf lange Sicht oft sogar überholen.
Geschicktes Zeitmanagement der Mütter zahlt sich aus
Interessanterweise zeigte die Studie, dass nach der Geburt des ersten Kindes sowohl bei den Müttern als auch bei den Vätern zunächst kaum Produktivitätsverluste auftraten. In den ersten drei Lebensjahren ihrer Kinder konnte die Publikationstätigkeit sogar auf demselben Niveau wie in der Zeit zuvor gehalten werden – vor allem dann, wenn eine feste Partnerschaft oder Ehe die Grundlage ihrer Beziehung bildete.
Auch verglichen mit Wissenschaftlern ohne Kinder zeigte das Ergebnis keine statistisch relevanten Abweichungen. Die Mütter hatten offensichtlich durch geschicktes Zeitmanagement eine hohe Effizienz ihrer häuslichen und beruflichen Arbeit erzielen können.
Problematischer sah die Situation allerdings bei alleinerziehenden Frauen aus und bei solchen, die ihre Kinder ungeplant bekommen hatten. In den ersten drei Lebensjahren ihrer Sprösslinge verloren sie von ihrer ursprünglichen beruflichen Leistungsfähigkeit etwa ein Drittel. Im Vergleich mit „älteren Müttern“ liess die Produktivität bei Müttern im Alter unter 30 Jahren stärker nach.
Berufstätige Eltern sind keine Belastung für ihre Arbeitgeber
Die Ergebnisse der Studie haben das Ziel, berufstätigen Eltern – und vor allem Müttern – Mut zu machen: Sie stellen für ihre Arbeitgeber keine Belastung dar. Allerdings äusserte einer der Studienautoren, Michael Krapf von der Uni Zürich, zur Aussagekraft der Analyse seine Bedenken, da man aus den erhobenen Daten wirklich praxisrelevante Befunde nicht ableiten könne. Auch Frauen, die nach der Geburt ihrer Kinder nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren und damit ihr berufliches Leistungsspektrum dauerhaft „aufgeben“, sind in der Studie nicht erfasst. Des Weiteren bleibt die Fragestellung, ob und in welcher Weise die Ergebnisse der Studie auf andere Berufsgruppen und Branchen angewendet werden können.
Haben die Ergebnisse der Studie auch Relevanz für privatwirtschaftliche Unternehmen?
Diese Frage ist tendenziell mit ja zu beantworten, meinen wir. Natürlich geben der akademisch-universitäre Bereich oder der öffentliche Dienst den Eltern, vor allem den Müttern, eine zur Privatwirtschaft vergleichsweise etwas „geschütztere Atmosphäre“, auch der Wiedereinstieg in den alten Job ist hier häufig besser abgesichert. Die Forschungsgrundlage der Studie – die Publikationstätigkeit von Wissenschaftlern – weist jedoch letztendlich auf eine hohe persönliche Motivationsbereitschaft hin und den Anspruch an sich selbst, Familie und Karriere zu verbinden.
Leistungswille und Motivationsbereitschaft sind Charakteristika, die in jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen mindestens ebenso geschätzt werden. Wenn also in den Firmen aufgrund alter Vorurteile Mütter beziehungsweise Eltern, die diese herausragenden Eigenschaften besitzen, nicht zum Zuge kommen, lassen die Firmen wertvolle Ressourcen ungenutzt.
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