Nigeria: 4650 Christen starben wegen religiöser Gewalt
Gezielte Agenda gegen christliche Minderheit im tödlichsten Land für Christen
Immer wieder werden Pastoren und christliche Gemeinden im Norden Nigerias Opfer von islamistischen Angriffen. Nie starben im bevölkerungsreichsten Land Afrikas so viele Christen aufgrund religiöser Gewalt wie heute.
Mussa Adamo ist Pastor in Nordnigeria. Er steht Menschen bei, welche nach Überfällen auf Dörfer traumatisiert sind. „Für Christen ist das Leben schwer.“ Die Islamisten der Boko Haram oder fundamentalistische Teile der Fulani-Volksgruppe überfallen immer wieder ganze Dörfer. Mussa Adamo erklärt: „Sie können jederzeit zuschlagen.“ Sie versuchen herauszufinden, ob eine Person christlich oder muslimisch ist. „Als Christ steht man vor grossen Problemen.“
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Tödlichstes Land für Christen geworden
In den letzten Jahren ist Nigeria zum tödlichsten Land für Christen geworden. Im vergangenen Jahr sind 80 Prozent der Christen, die weltweit aufgrund ihres Glaubens getötet wurden, in Nigeria gestorben. Auf dem Weltverfolgungsindex 2022 liegt Nigeria auf dem siebten Rang, so weit vorne wie nie zuvor. Im Bereichszeitraum wurden 4650 Christen nachweislich und einzig wegen ihres Glaubens ermordet (gegenüber 3530 im Vorjahr). Weiter wurden 2510 Christen entführt oder verschwinden gelassen (gegenüber 990 im Vorjahr).
Dazu 470 Kirchen geschlossen und/oder zerstört (gegenüber 270 im Vorjahr) sowie mehr als 1000 private Häuser, die zerstört wurden. Ebenfalls wurden über 1000 Geschäfte, die Christen gehörten, niedergerissen.
„Eine Agenda“
„Es ist schwierig, ein Grundstück für eine Kirche zu kaufen. Moscheen erhalten dagegen rasch eine Bewilligung“ erklärt Mussa Adamo. Auch ist es nicht einfach, für Christen, eine Arbeit bei der Regierung zu erhalten.
Mussa Adamo spricht von einer Agenda. „Jahr für Jahr wird diese vorangetrieben. Boko Haram hat zahlreiche Kirchen zerstört. Eine die beispielsweise wieder aufgebaut wurde, wurde erneut niedergerissen. Oft fehlt das Geld oder die Menschen haben Angst. Auch die Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, die Christen zu schützen. Und bei Nothilfe werden Christen übergangen.“
Ganze Region in Strudel gezogen
Die Widrigkeiten in Nordnigeria stehen in einem grösseren Kontext. Die Länder in Subsahara-Afrika erfreuten sich relativer Stabilität. „Sie waren Reiseziele, die grosse internationale Veranstaltungen wie die Rallye-Dakar beherbergt hatten, die durch die Wüste Sahara nach Dakar, der Hauptstadt Senegals führte“, bilanziert Illia Djadi, Open-Doors-Chefanalyst für Subsahara-Afrika. „Dies ist nicht mehr möglich, denn in den letzten zehn Jahren hat sich die Sicherheitslage in dieser Region dramatisch verschlechtert.“
Durch den Aufflammenden Islamismus verschlechterte sich unter anderem die Lage in Burkina Faso. Dieses westafrikanische Land hat eine lange Kultur der Toleranz. Unabhängig von der religiösen und ethnischen Herkunft lebten die Menschen in Frieden. Bis die christliche Minderheit im Jahr 2019 zur Zielscheibe von islamistischen Extremistengruppen wurden.
Zwei Millionen Menschen auf der Flucht
Gleich wie in Burkina Faso ist insbesondere in Nordnigeria eine riesige Fluchtbewegung entstanden. „Mehr als zwei Millionen Menschen sind im Nordosten Nigerias auf der Flucht“, erklärt Illia Djadi. Entführungen und Morde gegen Christen geschehen immer wieder, ohne dass sie die westliche Öffentlichkeit erreichen.
Mehrfach wurden christliche Schulen und Internate überfallen. So wurde beispielsweise am 5. Juli 2021 in Maramara im Bundesstaat Kaduna ein Internat überfallen und 140 Schüler entführt. Etappenweise wurden die Schüler in den folgenden Wochen bis auf einen wieder freigelassen. „Und wir erinnern uns vielleicht an die Entführung der Chibok-Schülerinnen im Jahr 2014, als 276 Mädchen entführt wurden. 100 von ihnen werden immer noch vermisst.“
„Wir verzeichnen einen Anstieg des religiösen Extremismus in Afrika südlich der Sahara. Radikale Predigten und Lehren führen zu Feindseligkeit gegenüber religiösen Minderheiten wie den Christen. In ganz Afrika südlich der Sahara sind islamistische Aufstände und bewaffnete Gruppen mit Verbindungen zu Al-Qaida oder dem Islamischen Staat weit verbreitet“, analysiert Illia Djadi. Dies betrifft insbesondere Länder wie Mali, Niger, Burkina Faso oder die Zentralafrikanische Republik. Und Boko Haram sorgt neben Nigeria auch in Kamerun, Tschad und Niger für Übergriffe. „Wir sehen auch, dass sich dieser islamistische Aufstand in Ostafrika ausweitet. Dies gilt für die in Somalia ansässige Al-Shabab-Gruppe in Somalia, aber auch in Kenia und in der Mitte des Kontinents. Insbesondere im Osten der Demokratischen Republik Kongo, dort operiert eine islamistische Gruppe, die mit dem Islamischen Staat verbunden ist und tötet Menschen.“
„Schockierende Realität“
Philippe Fonjallaz, Direktor von Open Doors Schweiz spricht von einer schockierenden Realität, mit der die Christen in diesen Gegenden konfrontiert sind. „Es ist eine alltägliche Sache geworden, mit der Christen in Nigeria und in der Sahel-Region konfrontiert sind. Sie sind mit Tod, Verfolgung, Hungersnot und Tausenden von Mädchen und Frauen konfrontiert, die entführt und vergewaltigt werden.“
Für viele von ihnen ist der Gang in die Kirche oder auf den Markt wie eine Reise mit einem One-Way-Ticket. „Es gibt keine Garantie, dass sie zurückkommen. Viele sind gegangen und nie zurückgekommen. Das ist die Realität.“ Deshalb fordert Open Doors ein klares Hinsehen und ein aufrichtiges Engagement der offiziellen Schweiz. „Behörden und Richter müssen den Christen zu ihrem Recht verhelfen und ihren Schutz gewährleisten. Die Schweiz in ihrer humanitären Tradition kann und darf hier nicht schweigen.“
Quelle: Open Doors Schweiz
Titelbild: Dancing_Man – shutterstock.com