Wetter-Schweiz: Mittendrin

Gestern noch auf der Vorderseite, heute mittendrin: Ein umfangreiches Tief bestimmte das Wochenendwetter in der Schweiz. Im heutigen Blog blicken wir kurz zurück auf die Stauniederschläge im Süden, den gestrigen Föhnstoss und die nächtliche Kaltfront.

Dazu schauen wir uns an, mit was sich die Föhnforschung aktuell beschäftigt.

Ergiebige Niederschläge im Südtessin

Zwischen Freitagnacht und heute Sonntagmorgen sind im Tessin ergiebige Niederschläge gefallen. Die stärkste Phase erreichten die teils konvektiv durchsetzten Stauniederschläge gestern Nachmittag und vergangene Nacht. Auf der Alpensüdseite kamen verbreitet 20 bis 60 mm in 24 h zusammen. Am meisten Niederschlag fiel dank der südöstlichen Anströmung im westlichen Tessin und der Simplonregion mit Mengen von 60 bis 100 mm in 24 Stunden. Nördlich der Alpen ist ein West-Ost Gradient zu erkennen, wobei es in Teilen der Ostschweiz bis heute Sonntag teils sogar ganz trocken blieb.



Kurzer, aber kräftiger Föhnstoss

Im Vorfeld der Kaltfront gewann der Föhn gestern Abend nochmals deutlich an Stärke. Die höchste Böe lieferte einmal mehr der Guggiföhn am Lauberhorn mit 172 km/h. Dies ist typisch bei Föhnlagen mit zyklonalen, südöstlichen Höhenwinden, wie wir sie gestern hatten. Mehr zum Guggiföhn finden Sie zum Beispiel hier.

Im St. Galler Rheintal setzte sich der Föhn gestern erst am späteren Abend durch. Damit stieg die Temperatur in Vaduz mitten in der Nacht auf milde 16.5 Grad. Solche Werte kommen im Rheintal bei Föhnlagen immer wieder vor, im Gegensatz zum Mittelland. Wir nehmen das zum Anlass, am Ende dieses Blogs einen Blick auf die aktuelle Föhnforschung zu werfen.


Verlauf 2m-Temperatur (durchgezogene Linie) und relative Luftfeuchtigkeit in Vaduz zwischen Samstagnachmittag und Sonntagmittag. Die Temperatur stieg in der Nacht mit dem Föhnstoss nochmals auf über 15 Grad an bei gleichzeitig deutlich sinkender relativer Luftfeuchtigkeit.

Rückblick auf die Kaltfront der vergangenen Nacht

Gestern Abend verlagerte sich das wetterbestimmende Tief von Frankreich allmählich zum Alpenraum. Mit der dazugehörigen Kaltfront wurde das Föhnereignis von West nach Ost im „klassischen Stil“ beendet. Die Kaltfront manifestierte sich besonders im Westen mit kräftigen Schauern, vereinzelten Gewittern und teils stark auffrischendem Südwestwind. Verbreitet wurden Windspitzen um 60 km/h registriert. Mit der Verlagerung nach Osten ging der Front allmählich die Luft aus (siehe auch Niederschlagsmengen oben).


Windanimation der vergangenen Nacht. Die Windfiedern stellen Mittelwind dar, die Zahlenwerte die jeweiligen Böenspitzen.

Mitten im Tief


Grosswetterlage Europa heute um 8 Uhr Lokalzeit. Links: Bodenwetterkarte (DWD). Rechts: Höhenkarte mit Temperatur und Druck auf 500 hPa. In Bodennähe lag das Zentrum des Tiefs heute Vormittag knapp nördlich der Schweiz. In den höheren Schichten befand sich das Tief genau über dem Alpenraum.

Heute Morgen lag die Schweiz mitten im Zentrum des Tiefdruckgebietes. Der Wettercharakter zeigte sich entsprechend oft bewölkt, jedoch meist trocken. Für Niederschläge fehlen inmitten des Tiefs oft die Hebungsprozesse, unter anderem weil kaum Strömung vorhanden ist. Mit der Ostwärts-Verlagerung des Tiefs änderte sich dies aber rasch wieder. So wurde mit der aufkommenden Nordwestströmung wieder feuchtere Luft zur Schweiz zurückgeführt. In der Folge setzten wieder vielerorts Niederschläge ein, welche gegen Abend zunehmend schauerartigen Charakter annahmen. Freundlicher war es in Nord- und Mittelbünden sowie im St. Galler Rheintal.

Die Temperaturen bewegten sich mit maximal 11 bis 13 Grad auf einem eher bescheidenen Niveau.  Wärmer war es dank längeren sonnigen Abschnitten im Rheintal mit bis zu 16 Grad.


Auch ein meist bewölkter Himmel hat seinen Reiz. Foto aufgenommen in Altnau Richtung Osten. Fotograf: W. Nater

Kurzer Föhn(temperatur)-Exkurs

Der Föhn ist uns allen als warmer und böiger Wind bekannt, keine Frage. Doch wie kommt eigentlich diese starke Erwärmung der Föhnluft zustande? Diese Frage beschäftigt die Föhnforschung bereits seit Jahrzehnten und ist nicht bis ins Detail geklärt. Lange war nur von der thermodynamischen Theorie die Rede. Diese wird zum Teil auch heute noch in den Schulbüchern abgebildet, wiederspiegelt aber höchstens „die halbe Wahrheit“.


Klassische, thermodynamische Föhntheorie. Die Erwärmung der Föhnluft ist der Freisetzung latenter Wärme auf der Luvseite geschuldet. Die Föhnluft steigt auf der Luvseite auf und kühlt sich feuchtadiabatisch mit ungefähr 0.65°C/100 m ab. Beim herunterströmen auf der Leeseite erwärmt sich die Luft wieder, nun aber trockenadiabatisch. Damit erwärmt sie sich um 1°C/100m und erfährt netto eine Erwärmung. Quelle: Deutscher Wetterdienst

Die Realität ist aber um einiges komplizierter. Neben den thermodynamischen Effekt spielt auch die Herkunft der Luftmasse eine grosse Rolle. So stammt die Föhnluft meist nicht aus den untersten Schichten, sondern strömt von einem höheren Niveau über die Alpen und fliesst in der Folge (unter trockenadiabatischer Erwärmung) hinunter in die Täler.


Vereinfachtes Schema des Föhns, bei dem angenommen wird, dass die Föhnluft ihren Ursprung etwa auf Kammhöhe hat. Da diese Luft potentiell wärmer ist, ist für die Erwärmung keine Stausituation mit feuchtadiabatischen Prozessen nötig.

Es gibt noch weitere Prozesse, welche die Föhntemperatur (positiv und negativ) beeinflussen können. So zum Beispiel die Abkühlung durch Verdunstung auf der Leeseite (z. Bsp. bei Dimmerföhn) oder die diabatische Erwärmung durch Sonneneinstrahlung.

In einer aktuellen, wissenschaftlichen Publikation konnten Forscher von der ETH Zürich zudem zeigen, dass sich die Herkunft und damit auch die Art der Erwärmung der Föhnluft in den einzelnen Tälern teils deutlich unterscheidet. In dieser Studie untersuchten die Wissenschaftler mithilfe von COSMO-Modellrechnungen und Trajektorien die Herkunft der Luftmassen während eines Föhnevents im November 2016. In der folgenden Slideshow sind die dabei berechneten Trajektorien für das Hasli- und das Lintthal abgebildet. Die gesamte Studie ist hier nachzulesen:

Thermodynamics and airstreams of a South Foehn event in different Alpine valleys (Registrierung notwendig)

Quelle der Abbildungen:
Jansing, L. and Sprenger, M.: Eulerian and Lagrangian perspectives on a Foehn event in the Alpine region, EGU General Assembly 2020, Online, 4–8 May 2020, EGU2020-4713, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu2020-4713 , 2020).

Föhntrajektorien für die Region Glarus und das Haslital


Herkunft der Luftpakete während des untersuchten Föhnevents in der Region Glarus. Ein Grossteil der Luftpakete scheint mit der süd- bis südwestlichen Strömung aus höheren Luftschichten zu stammen (> 2500 m ü.M).

Auch im Haslital stammen einige Luftpakete aus höheren Luftschichten (bläuliche Einfärbung), jedoch deutlich weniger als im Lintthal. Ein beträchtlicher Teil der Föhnluft scheint seinen Ursprung aus den tieferen Schichten der Poebene zu haben. Hier scheint die klassische, thermodynamische Erwärmung des Föhns (aufsteigen der Luftmassen an der Luvseite) eine wichtigere Rolle zu spielen.

Titelbild: Nach den Aufhellungen heute Vormittag verlief der Tag meist bewölkt. Blick von Jonen (AG) Richtung Zentralschweizer Alpen.

 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz
Titelbild: D. Praloran

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