Referendum zum Atomausstieg – NWA zum Abstimmungsbüchlein

Am 27. November steht das Referendum zur Atomausstiegsinitiative der Grünen an. Der Bundesrat hatte dazu im Vorfeld ein „ Abstimmungsbüchlein“ herausgegeben, in dem zu einzelnen Punkten der Initiative Erläuterungen gegeben werden.

Der Verein „Nie wieder Atomkraftwerke“ (NWA) nimmt dazu Stellung. Er plädiert für ein klares JA zur Atomausstiegsinitiative und wirft dem Argumentarium vor, bei den Abstimmungsgegnern abgeschrieben zu haben, anstatt neutral zu informieren.

Zu einzelnen Punkten wird Folgendes von NWA erklärt:

Seite 5:

In der Schweiz gibt es fünf Kernkraftwerke (KKW). Sie produzieren rund 40 Prozent des Schweizer Stroms.

Es gibt vier AKWs die Strom produzieren können. Beznau 1 ist vom Netz und wird nie mehr ans Netz gehen. Die Illusion, dass Beznau 1 je wieder ans Netz gehen könnte, wird von der Axpo noch bis am 27. November 2016 aufrecht erhalten. Ende Jahr wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass sich weitere Nachrüstungen nicht lohnen. Aktuell produzieren sogar nur drei AKW, und die bringen nur 52% der Schweizer AKW-Leistung.

Die Schweizer AKW haben 2015 nur 33.5% zur Landesproduktion beigetragen, 2016 werden es weniger als 30% sein. Es fehlt ganzjährig der Reaktor Beznau 1, und vom 2. August 2016 bis in den Frühling 2017 fehlt Leibstadt. Interessanterweise funktioniert alles, obwohl 48% der Schweizer AKW-Leistung fehlen. Bei einem Ja zum geordneten Atomausstieg müssten Ende 2017 33% der Schweizer AKW-Leistung stillgelegt werden, viel weniger als was heute schon fehlt, wo zwei AKWs aus Altersschwäche ausgefallen sind.

Seite 6:

Falls nötig, kann das ENSI die sofortige Abschaltung anordnen.

Schön wärs, wenn das ENSI das könnte. Das ENSI hätte gewollt, dass es das in Zukunft könnte, und hat daher die Einführung eines Langfristbetriebskonzepts im Kernenergiegesetz gefordert. Was unser rechtes Parlament abgelehnt hat.

Damit kann das ENSI wie bisher ein AKW nicht vorsorglich stilllegen, sondern muss warten bis es kaputt geht. Muss zuschauen, wie die Risse im Kernmantel immer grösser werden, und wenn die Risse die Ausserbetriebnahmegrenze überschreiten, dann… misst der Betreiber die Risse nicht mehr, und das ENSI nickt. So geschehen in Mühleberg. Auf die im August 2015 vom ENSI verlangten und im Dezember 2015 vom ENSI verfügten genauen Ultraschallmessungen und ausserordentlichen Messungen der Risse im Kernmantel hat das ENSI im August 2016 spontan verzichtet. Offensichtlich konnte sich das ENSI nicht gegen die BKW durchsetzen.

Dasselbe soll nun auch in Beznau so laufen. Die Axpo Anwälte erachten die Ausserbetriebnahmeverordnung des Bundes als „ unheilbar nichtig“ und haben beschlossen, dass sich die Axpo nicht daran halten müsse. Damit fehlt dem ENSI jegliche Grundlage, Beznau 1 vom Netz zu nehmen, egal wie gefährlich es ist. Doris Leuthards Konzept des „weiterbetreiben solange sicher“ hat sich damit in Luft aufgelöst.

Seite 7:

Bei Annahme der Initiative greift der neue Verfassungsartikel sofort: Drei der fünf KKW müssten 2017 abgeschaltet werden.

Das ist fast der happigste Punkt, weil er so eindeutig falsch ist. So wenig, wie sich die Alpeninitiative von allein erfüllt hat, die Mutterschaftsinitiative sich von alleine erfüllt hat, nicht einmal die Einwanderungsinitiative der SVP hat sich von alleine erfüllt! so wenig erfüllt sich die Ausstiegsintitiative von selbst.

Das Departement von Doris Leuthard, das UVEK, muss den betroffenen AKW Betreibern eine Sachverfügung schicken. Die Betreiber können diese Verfügung anfechten, zuerst ans UVEK, dann ans Bundesverwaltungsgericht, dann ans Bundesgericht. Kommt dazu, dass nur zwei kleine alte AKWs stillgelegt werden müssten. Beznau 1 ist ja schon ganz still.

Seite 7:

Die Schweiz müsste deshalb bedeutend mehr Strom aus dem Ausland importieren – hauptsächlich aus Deutschland und Frankreich. Dieser stammt unter anderem aus Kohle und Kernkraftwerken.

Die Schweiz hat 2015 netto 1 TWh Strom exportiert, obwohl ihre AKWs wegen Altersschwäche 4,3 TWh weniger als erwartet produziert haben. Hätte es 2015 die ausserordentlichen Ausfälle von Beznau 1, 2 und Leibstadt nicht gegeben, wäre 4,3 TWh Atomstrom mehr produziert worden. Bei Normalbetrieb hätten wir 2015 einen Export von 5.3 TWh gehabt.

Wenn man bei einem Export von 5.3 TWh die drei kleinen alten AKW mit 8.5 TWh abschaltet, dann fehlen 3.2 TWh. Da aber 2016 bereits wieder 1 TWh erneuerbare Produktionsanlagen ans Netz gegangen sind, fehlen noch ganze 2.1 TWh. 2017 wird wieder 1 TWh erneuerbare Produktion ans Netz gehen, dann fehlen Ende 2017 noch 1.2 TWh. Darum: Ja, wir müssten ab 2018 1.2 TWh mehr Strom importieren als vor der Stilllegung der drei kleinen alten AKW. Das ist ein Fünfunddreissigstel der 42 TWh, die wir sowieso jedes Jahr importieren. Das verschwindet im Grundrauschen der 42 TWh Import und 43 TWh Export, die wir sowieso haben.

Ab 2019 haben wir dann eh keinen zusätzlichen Import mehr, weil wieder 1 TWh inländische erneuerbare Stromproduktion hinzugekommen ist. Darum: Nein, wir müssten nicht bedeutend mehr Strom importieren. Nein, es wäre nicht in erster Linie Kohlestrom, sondern genau wie heute in erster Linie erneuerbarer Strom aus Deutschland und Österreich, in zweiter Linie Atomstrom aus Frankreich, und in dritter Linie Kohlestrom aus Deutschland.

Seite 12:

Es ist nicht möglich, bereits 2017 genug einheimische erneuerbare Energie zu produzieren. Die Initiative würde die Abhängigkeit vom Ausland erhöhen: Eine übereilte Abschaltung führt dazu, dass bedeutend mehr Strom aus dem Ausland importiert werden muss. Schweizer KKW-Strom würde mehrheitlich durch ausländischen KKW- Strom und Strom aus umweltbelastenden Kohlekraftwerken ersetzt.

Selbst der treueste Atomanhänger hat gemerkt, dass mit der Stromlücke kein Grosi mehr erschreckt werden kann. Also haben die PR Strategen schnell die Netzlücke erfunden. Offensichtlich zu schnell An der Medienkonferenz am 11. Oktober 2016 sagte Yves Zumwald, CEO der Swissgrid: Beznau 2 könne erst abgeschaltet werden, wenn dort ein neuer 380/220 kV Trafo gebaut werde.

In Wahrheit reicht der schon am 3. Dezember 2015 in Betrieb gegangene 380/220 kV Trafo in Laufenburg. Zudem wird in Beznau im März 2017 noch ein 380/220 kV Trafo ans Netz gehen. Hier gibt also keinen Engpass.

Seite 13:

Durch massiv mehr Stromimporte droht zudem eine Überlastung der Schweizer Netzinfrastruktur. Um dies zu vermeiden, müsste die Netzinfrastruktur rasch genug ausgebaut werden können. Die notwendige Verstärkung der Netzinfrastruktur braucht aber Jahre und ist aufwendig und teuer. Die Initiative gefährdet deshalb unsere Versorgungssicherheit.

In der strategischen Netzplanung der Swissgrid vom 2. April 2015 wird gezeigt, dass Null Atomstrom im 2025 zu bewältigen wäre. Swissgrid zeigt darin auch die dringlichsten Netzausbauten auf, die bis 2025 so oder so zu realisieren wären.

Seite 13:

Mit einer Begrenzung der Laufzeiten werden die Spielregeln grundlegend geändert. Die Betreiber könnten Investitionen nicht amortisieren, die sie im Vertrauen auf das geltende Recht und gestützt auf die unbefristete Betriebsbewilligung getätigt haben. Es wurden darum bereits Entschädigungsklagen in Milliardenhöhe angekündigt. Sind diese erfolgreich, so müssten der Bund und damit letztlich alle Steuerpflichtigen diese Entschädigungen bezahlen.

So schlimm ist es gar nicht: Die BKW und die Alpiq „prüfen“, ob sie Entschädigungsforderungen stellen möchten, und zwar im tiefen dreistelligen Millionenbereich. Nur der CEO Axpo Andrew Walo sagt schon heute, er wolle 4,1 Milliarden Franken von uns. Als ehemaliger Hausbesetzer weiss er ja, wie man sich fremdes Eigentum aneignet, wenn man nur frech genug ist. Jetzt probiert er es wieder, einfach in grösserem Massstab. Es wäre dann auch noch zu klären, wer wem Entschädigung zahlen müsste.

Die Eigentümer der AKWs sind die Städte und Kantone, also wir, und dann müssten wir uns Entschädigungen zahlen, von der linken Tasche in die rechte Tasche. Der Skandal ist, dass in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds nach konservativer Rechnung von 2011 10 Milliarden Franken fehlen. Wenn man die aktuellen Zahlen zu den Kosten aus Deutschland als Referenz nimmt, fehlen 40 Milliarden Franken. Zu gerne hätten wir aktuelle Zahlen zu den Stilllegungs- und Entsorgungskosten in der Schweiz. Diese werden mit der Kostenstudie 2016 erst im Dezember veröffentlicht, eine Woche nach der Abstimmung zum geordneten Atomausstieg.

Im Rechtsgutachten der SP Schweiz von letztem Jahr haben die Rechtsprofessoren bestätigt, dass es ohne Schaden keinen Schadenersatz geben kann. Die AKW haben einen negativen Wert, Leibstadt hatte bereits 1999 einen Wert von minus 2.4 Milliarden Franken. Anteile an Schweizer AKWs sind auch zu stark negativen Preisen nicht verkäuflich. Auch der Betrieb der AKWs ist defizitär. Laut der Bilanz beträgt das jährliche Defizit der Schweizer AKWs 757 Mio. Franken pro Jahr. Weder die Vollkosten, noch die variablen Kosten werden gedeckt bei Strommarktpreisen von 3 Rp/kWh. Wert negativ, Betrieb defizitär, ergo bei Abschalten kein Schaden, kein Schadenersatz.

 

Artikel von: holzimpuls.ch / Nie wieder AKW (NWA) Schweiz
Artikelbild: © iurii – shutterstock.com (Symbolbild)

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