Mit Berner Mini-Bohrer in die Klima-Vergangenheit
Auf der Suche nach dem ältesten Eis der Erde – weltweit sind Forscher damit befasst. Aus dem „alten Eis“ erhofft man sich Erkenntnisse über die Klimaveränderungen in der Erdgeschichte. Berner Forscher wirken bei der Eis-Forschung ganz vorne mit.
Eine Bohrung in der Antarktis soll jetzt wichtige neue Informationen liefern. In einer ersten Phase des Projekts wird mit Hilfe eines schnellen Eisbohrers der ideale Bohrstandort ermittelt. Der Spezial-Bohrer ist an der Universität Bern entwickelt worden.
Bern hat sich international bereits einen Namen in der Eiskernforschung gemacht. So waren Berner Klimaforscher mit ihrer Analyse von Eisbohrkernen massgeblich an der bislang längsten Rekonstruktion der CO2-Konzentration beteiligt. Sie reicht über 800’000 Jahre zurück und belegt klar, dass die Konzentration des Klimagases in der Atmosphäre in dieser Zeitspanne noch nie so hoch war wie heute.
Waren Treibhausgase schon früher mit im Spiel?
In den nächsten Jahren soll nun ein Eiskern erbohrt werden, der Klimainformationen über die vergangen 1.5 Millionen Jahre enthält. „Dieser tiefe Blick in die Klimavergangenheit soll zum besseren Verständnis des Hin und Her zwischen Warm- und Kaltzeiten beitragen“, erklärt Hubertus Fischer, Professor für Klimaphysik. In der Zeit vor circa 900’000 Jahren wechselten sich Eiszeiten und Warmphasen alle rund 41’000 Jahre ab, danach nur noch alle 100’000 Jahre. Weshalb es zu diesem Wandel kam, ist ungeklärt. Doch die Klimaforschung vermutet, dass Treibhausgase eine entscheidende Rolle spielten.
In einem neuen europäischen Verbundprojekt, dessen Schweizer Beitrag soeben vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI bewilligt wurde, soll der richtige Ort für diese Bohrung gefunden werden. Die Suche nach dem ältesten Eis ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem ein Dutzend europäische Forschungsinstitutionen beteiligt sind und das 2.2 Millionen Euro kostet. Die Institutionen arbeiten unter anderem bei der Infrastruktur zusammen, die für die Expedition in die Antarktis nötig ist.
Bohrer mit der Grösse einer Zahnbürste
Bevor die eigentliche Bohrung beginnen kann – sie wird gegen 30 Millionen Euro kosten –, gilt es herauszufinden, wo überhaupt so altes Eis in dem mehrere Kilometer dicken Eispanzer existiert. Diese Abklärungen sollen zuerst mit Hilfe von Radartechnologie aus der Luft geschehen, danach aber kommt eine in Bern entwickelte innovative Bohrtechnologie zum Einsatz: Sie nennt sich „Rapid access drilling“ und setzt auf einen Bohrer, der nicht grösser ist als eine elektrische Zahnbürste.
In knapp einer Woche kann mit dieser ultraleichten Ausrüstung bis auf den Felsgrund unter dem antarktischen Eisschild gebohrt und so die Eignung eines Standorts für die spätere Tiefenbohrung abgeklärt werden. „Neben der Geschwindigkeit liegt die Stärke unserer Methode beim minimalen logistischen Aufwand“, sagt der Physiker Jakob Schwander, der die Nadelstichtechnologie entwickelt hat.
Da der Durchmesser des Bohrlochs gerademal zwei Zentimeter beträgt, braucht der Berner Eisbohrer 40-mal weniger Bohrflüssigkeit als eine konventionelle Eisbohrung. Zum Einsatz kommen wird die Berner Entwicklung während des antarktischen Sommers Ende 2017. Zuvor wird sie in einem Feldeinsatz in Grönland auf Herz und Nieren getestet.
Quelle: Universität Bern
Artikelbild: Probebohrung in Grönland bei -31° Celsius. In nur eineinhalb Stunden konnte auf eine Tiefe von 20 Metern gebohrt werden. (© Jakob Schwander, Universität Bern)