Menschen mit Hirnverletzung brauchen mehr Verständnis
Vom 13. bis 18. März ist Brainweek, die Woche des Gehirns. In der Schweiz erleiden rund 16‘000 Menschen jährlich einen Schlaganfall und ca. 4‘000 ein Schädel-Hirn-Trauma als Folge eines Unfalls.
Die Folgen sind für die Betroffenen und deren Angehörigen oft sehr schwerwiegend. Peter Zangger, Neurologe und Mitgründer von FRAGILE Suisse im Interview.
Interview mit Peter Zangger
Peter Zangger, die Zahl von Menschen mit Hirnverletzung ist gross, das Thema in der Öffentlichkeit nicht. Wieso?
Das Thema Hirnverletzung hat sich leider bis heute nur sehr harzig entwickelt. Es ist nicht möglich, die komplexe Problematik vor allem der unsichtbaren Behinderungen der Menschen mit Hirnverletzung auf simple Art und Weise einer grossen Bevölkerungsschicht verständlich zu machen. Dies ganz im Gegenteil zum leicht verständlichen Problem des Unvermögens zu gehen der querschnittgelähmten Patienten.
Diese Zahl ist übrigens 30 bis 40 Mal kleiner als die der Menschen mit Hirnverletzung. Die Probleme der hirnverletzten Menschen lassen sich nicht auf zwei, drei Schlagworte reduzieren, weil sie so verschieden sind.
Was brauchen Menschen mit Hirnverletzung?
Ich wünsche mir, dass die Mehrheit der Mitmenschen in absehbarer Zeit mehr Verständnis für die Probleme der Menschen mit Hirnverletzung hat.
Ich wünsche mir auch, dass die Versicherungen den Betroffenen eine gerechte Hilfe zukommen lassen, damit diese nicht auch noch durch zusätzliche grosse finanzielle Probleme belastet werden. Auch brauchen Menschen mit Hirnverletzung ein besseres Verständnis von den Fachleuten, das leider häufig nicht vorhanden ist.
Wie kann das bessere Verständnis erreicht werden?
In den vergangenen 30 Jahren musste ich zunehmend konstatieren, dass die Probleme und Defizite der Menschen mit Hirnverletzung von Versicherungen und ihnen nahestehenden Gutachtern mehr und mehr heruntergespielt, oft sogar verniedlicht werden.
Ich versuche, mit unzähligen Stellungnahmen und Gutachten für die betroffenen Patienten und mit vielen aufklärenden Gesprächen mit Fachkollegen etwas dagegen zu steuern. Die intensive Arbeit von FRAGILE Suisse über all die Jahre hat nun aber doch dazu geführt, dass heute schätzungsweise ein Fünftel der Bevölkerung, inklusive Betreuer und Arbeitgeber, schon mal von der Problematik Hirnverletzung gehört hat. Aber es gibt immer noch viel zu tun.
FRAGILE Suisse
Die schweizerische Vereinigung FRAGILE Suisse und ihre 10 Regionalen Vereinigungen engagieren sich in der ganzen Schweiz für Menschen mit Hirnverletzung und ihre Angehörigen. Die Dienstleistungen umfassen die Gratis-Beratung der Helpline (0800 256 256), Selbsthilfegruppen, Kurs- und Weiterbildungsangebote sowie Begleitetes Wohnen, das Betroffenen ermöglicht, mit Unterstützung durch Fachleute in der eigenen Wohnung statt in einem Heim zu leben.
In der Öffentlichkeit setzt sich die gemeinnützige Organisation zudem für die Interessen von Betroffenen und Angehörigen ein.
FRAGILE Suisse finanziert das Angebot zum grössten Teil aus Spenden und ist von der Stiftung Zewo als gemeinnützig anerkannt.
Brainweek 2017
Die Woche des Gehirns findet in der ganzen Schweiz vom 13. bis 18. März statt. Das Programm unterscheidet sich von Region zu Region und reicht von Vorträgen über Angebote für Schulen bis hin zu Ausstellungen rund um unser faszinierendes Organ. Themen sind unter anderem Bewegungskoordination, Einfluss der Gene, Hirnverletzung, Krankheit und Psyche.
Quelle: FRAGILE Suisse
Artikelbild: „Obwohl es mir gut geht und ich glücklich bin, kämpfe ich jeden Tag.“ Martina G. (Bild: FRAGILE Suisse)