Engpässe bei Impfstoffen – ein hausgemachtes Problem

Es ist kein neues Phänomen, sondern ein immer wiederkehrendes Problem, das alle paar Jahre für Missstimmung und Bedenken vor allem in vielen Kinderarztpraxen in der Schweiz sorgt. Die Rede ist von derzeit wieder einmal registrierten Impfstoffengpässen. Dazu äusserte sich Christoph Berger, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, auf Anfrage von SRF.

Eine Gefährdung der Gesundheit beispielsweise von Kindern sei nicht zu befürchten, auch wenn diesmal gleich mehrere Impfpräparate nicht lieferbar oder knapp sind. So fehlen beispielsweise derzeit die Impfstoffe für die Sechsfach-Impfungen bei Säuglingen oder verschiedene Polio-Präparate. Auch bei den Impfstoffen für Windpocken regiert derzeit der Mangel.

Die Gründe für Engpässe bei Impfstoffen

Fragt man nach den Gründen für derartige und wiederkehrende Engpässe bei Impfstoffen, fallen die Antworten schon recht erstaunlich aus. Tenor dabei ist, dass die Herstellung von Impfmitteln für die Schweiz meist von nur wenigen Herstellern realisiert wird und Impfstoffe einer aufwändigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit bedürfen.

Hinzu kommen strenge Kontrollen und teils auch umständliche Einfuhrverfahren bei im Ausland hergestellten Impfstoffen. Auch die Einführung neuer Impfmittel sei in der Schweiz recht langwierig und kompliziert. Selbst dann, wenn solche Impfstoffe im europäischen Ausland bereits zugelassen sind.

Die Aufführung dieser Gründe klingt eher nach einer Sammlung von Ausreden, die wir uns gern etwas genauer ansehen möchten.

Da wird gesagt, dass die Herstellung von Impfstoffen für die Schweiz nur von wenigen Herstellern umgesetzt wird. Das klingt so, als würden diese Hersteller den zugegebenermassen nicht übermässig grossen Bedarf der Schweiz nicht schon seit Jahren kennen. Irgendwie hört sich das in der regelmässigen Wiederholung alle paar Jahre auch so an, als ob die Schweiz in diesen Zeiten einen überproportionalen Zuwachs der Wohnbevölkerung zu verzeichnen hätte.

Dem ist allerdings nicht so. Fraglich ist dann auch, warum die Herstellung der Impfstoffe nicht auf eine breitere Basis gestellt wird. Allein in der Schweiz gibt es ja schon genügend Pharmaunternehmen, die durchaus die Vorteile des Wirtschaftsstandortes Schweiz zu schätzen wissen.

Impfstoffe bedürfen einer aufwändigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Das mag stimmen, hat aber mit der aktuellen Mangelsituation nicht wirklich etwa zu tun. Immerhin brauchen wir jetzt keine neuentwickelten, sondern gerne auch erprobte Impfstoffe. Die müssen weder neu erforscht noch langwierig entwickelt werden. Es gibt sie schon. Sie müssten nur in ausreichender Menge hergestellt und zur Verfügung gestellt werden. Mehr nicht. Dann bleibt auch Zeit für neue Entwicklungen, ohne einen Mangel zu zelebrieren.

Auch strenge Kontrollen sind kein Grund für den Mangel an Impfstoffen. Schon immer werden die Präparate in der Schweiz gewissenhaft kontrolliert. Auch in den Zeiten, in denen kein Mangel herrschte. Schon deshalb können wichtige und nützliche Kontrollen kein Grund für der aktuellen Engpass bei einigen Impfstoffen sein. Also fällt auch diese Ausrede zurück ins Reich der umständlichen Erklärungen für ein hausgemachtes Problem.

Die Zulassung von Impfstoffen folgt in der Schweiz strengen Regeln. Das ist auch gut so. Dennoch könnte man auch auf Impfstoffe zurückgreifen, die in irgendeinem Mitgliedsland der Europäischen Union bereits zugelassen sind. Die Kontrollregeln und Mechanismen in der EU sind nämlich nicht weniger straff und effizient wie die der Schweiz. Abgesehen davon sind die straffen Zulassungsverfahren kein Grund dafür, dass aller paar Jahre wieder in der Schweiz bestimmte Impfstoffe knapp sind.

Nachdem wir den Sumpf an Ausreden ausgetrocknet haben, scheint eine ganz andere Ursache für die wiederkehrenden Impfstoffengpässe interessant zu sein. Was ist mit Profit? Wird eine nachgefragte Ware am Markt künstlich verknappt, können dafür die Preise in die Höhe getrieben werden. Künstliche Verknappung ist schon seit langem ein Erfolgsrezept für mehr Nachfrage und für das Drehen an der Preisschraube. Liegt hier vielleicht der eigentliche Grund für die periodischen Engpässe, im Profit?

Denkbar ist das schon. Immerhin kommt es nicht zu einem Aufschrei der Verbraucher selbst, da ja in aller Regel die Krankenkassen die Impfungen bezahlen. Und denen kann man nicht jedes Jahr immer wieder einmal mit einer Preiserhöhung wegen vermeintlicher Verknappung und ähnlicher Ausfallerscheinungen ins Haus schneien. Ob das die wirklichen Ursachen der wiederkehrenden Impfstoffknappheit sind, bleibt offen.


Experten raten jetzt nicht unbedingt zu grosser Eile bei einer anstehenden Impfung. (Bild: Minerva Studio / Fotolia.com)


Was Experten raten

Experten gibt es für nahezu jeden Bereich, auch für die Versorgung mit Impfstoffen. Die raten jetzt nicht unbedingt zu grosser Eile bei einer anstehenden Impfung. Der Expertenrat richtet sich vielmehr an die politisch Verantwortlichen in den Kantonen und im Bund.

Drei Massnahmen sind derzeit im Gespräch:

  1. Schnellere Zulassung von Impfstoffen in der Schweiz, wenn die bereits in einem EU-Land genehmigt sind.
  2. Administrative Importhürden abbauen.
  3. Schaffung eines Zentrallagers mit ausreichend Reserveimpfstoffen, um jederzeit, auch bei Engpässen, die Versorgung sichern zu können.

Derzeit favorisiert wird vom Bund das dritte Modell. Aber auch hier muss natürlich wieder lange diskutiert, gerechnet und abgewogen werden, bis es zu einer klaren Entscheidung kommt. Dann ist der aktuelle Engpass längst vorüber und man widmet sich lieber anderen alltäglicheren Sorgen. Bis zum nächsten Impfstoffengpass.

Der liesse sich freilich ausschliessen, wenn beispielsweise alle drei Massnahmen in einer gut ausgewogenen Gewichtigkeit umgesetzt werden würden. Aber warum schnell handeln? Impfungen sind immerhin prophylaktisch und nicht therapeutisch.

 

Oberstes Bild: © Wrangler / Fotolia.com

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