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Steueroase Niederlande

11.11.2014 |  Von  |  Beitrag

Im Herbst 2014 geht es um Luxemburg – einen der kleinsten Staaten Europas. Wegen seiner Steuerpolitik ist das Grossherzogtum in die Kritik geraten und muss sich mit Vorwürfen von allen Seiten beschäftigen.

Die EU-Mitgliedsstaaten wollen ein Ende der lockeren Gesetzgebung erreichen, die wie eine Einladung für international agierende Konzerne wirkt, wenn es darum geht, Steuern aus dem Weg zu gehen. Erst vor Kurzem hat Irland beschlossen, die Löcher in der Steuergesetzgebung zu stopfen. Von den Niederlanden spricht allerdings bis jetzt kaum jemand.

Die Finanzzeitung „Het Financieel Dagblad“ hat in Amsterdam ihren Sitz – unscheinbar sitzt sie gegenüber eines Gebäudekomplexes, in dem Firmen wie Saab, Gazprom, Danone und mehr als 2‘000 andere multinationale Konzerne ihren Sitz haben. An diesem Gebäudekomplex wird man nach Firmenlogos vergeblich suchen, keine Namen auf den Briefkästen finden. Will man eine ordentliche Briefkastenfirma sein, käme es darauf doch an, oder?

Die Finanzzeitung hat eigens zwei Steuerexperten dafür abgestellt, die Praktiken der Firmen in der Nachbarschaft zu untersuchen, deren Tun durch die niederländischen Steuergesetze erst möglich werden. Maximal 300 Leute arbeiten in diesem Gebäude, wobei die meisten bei der Treuhandfirma Intertrust angestellt sind, die nach eigenen Angaben eine exzellente Business-Infrastruktur bietet, für günstige Steuerbedingungen und Service aus erster Hand sorgt. Bei den Multis steht Intertrust hoch im Kurs.

Sogenannte „besondere finanzielle Einrichtungen“ gibt es laut einer Studie des Instituts SEO Economisch Onderzoek in den Niederlanden mehr als 12‘000. Mitarbeiter haben sie in den Niederlanden so gut wie keine. Der Volksmund nennt sie Briefkastenfirmen und das ist durchaus ein zutreffender Name. Die Niederlande mit ihren Grachten, Coffee Shops und Tulpen sind das gefragteste Steuerparadies der Welt. Da kann das Grossherzugtum Luxemburg nicht mithalten.

Am Prins Bernhardplein, wo besagtes Gebäude sich befindet, hatte vor nicht allzu langer Zeit auch die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC), die vor Kurzem durch die „Luxemburg Leaks“ in den Schlagzeilen waren, ihren Firmensitz. Ihr Vorsitzender Didier Mouget verteidigte diese Steuer-Praktiken mit dem Argument, dass es neben dem Luxemburg noch vier oder fünf andere Staaten gebe, die diese Steuervergünstigungen überhaupt ermöglichten. Die Niederlande waren nur eines seiner Beispiele.

Die Niederlande sind dabei wahrscheinlich sogar noch attraktiver für Konzerne, die in vielen Ländern agieren, als Luxemburg. Ganz legal kann man seine Profite dorthin leiten und so Steuerzahlungen vermeiden, denn die dortigen Steuerbehörden besteuern bestimmte im Ausland erzielte Einkünfte nur gering oder gar nicht. Dazu zählen nicht nur Dividenden und Zinsen, sondern auch Gewinne aus Lizenzen, Marken- oder Patentrechten, sprich aus geistigem Eigentum.


In Zahlen: Ein Anstieg von 13,1 auf 72,7 Milliarden Euro. (Bild: © Lisa S. - shutterstock.com)

In Zahlen: Ein Anstieg von 13,1 auf 72,7 Milliarden Euro. (Bild: © Lisa S. – shutterstock.com)


Zu den Konzernen, die ihre Gewinne in die Niederlande vermarkten, gehören grosse Namen: der italienische Ölkonzern Eni, Ikea, Walmart und weitere 17 der 20 umsatzstärksten portugisischen Unternehmen. Die Niederlande seien die Finanzdrehscheibe der Welt, sagen die beiden Finanzexperten der niederländischen Finanzzeitung. Die Zahlen aus der erwähnten SEO-Studie geben ihnen recht: ca. 4‘000 Milliarden Euro wurden 2011 über die Briefkastenfirmen abgewickelt. Diese Zahl entspricht dem Fünffachen des niederländischen Bruttosozialprodukts. Bei nicht einmal 17 Millionen Einwohnern sind die Niederlande einer der beiden grössten Empfänger und Geber direkter Investitionen. Und das weltweit. So sagen es die Statistiken des IWF.

Eine Studie der Citizens for Tax and Justice (CTJ), einer NGO aus den USA, liefert beeindruckende Zahlen zum Thema: 48 Prozent der 500 umsatzstärksten Konzerne der Welt haben Finanzholdings in den Niederlanden, die damit Hongkong, Luxemburg oder Singapur hinter sich lassen. In 2010 wurden Gewinne von 127 Milliarden Dollar von Tochtergesellschaften von US-Firmen verbucht – weit mehr als in Luxemburg, auf den Bermudas oder den Cayman Inseln.

Auch die Deutsche International Trust Company hat ihren Sitz in Amsterdam. Das Dienstleistungsspektrum der Tochter der Deutschen Bank ist dem der oben erwähnten Intertrust ähnlich. Und scheinbar auch erfolgreich, denn auch andere deutsche Konzerne haben rund 800 Niederlassungen in den Niederlanden gegründet – der Grund dürften wohl die steuerlichen Vorteile sein.

Holland Quaestor, eine Treuhändervereinigung, weist den Vorwurf zurück, dass die Firmen lediglich Steuern sparen wollen. Es gehe lediglich darum, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, was in Holland durch die bilateralen Abkommen erleichtert würde. Allerdings räumt Quaestor auch ein, dass es durchaus einige Sündenböcke gebe, die nie Steuern gezahlt hätten. Die Einführung eines Qualitätssiegels durch den Lobbyverband soll dem Phänomen entgegenwirken.



Die Regierung der Niederlande will Briefkastenfirmen zukünftig besser unter die Lupe nehmen. Unter Politikern ist der Begriff Steueroase nicht sonderlich beliebt. Die Regierung hat das Parlament 2013 dazu aufgerufen, eine Qualifizierung dieser Art abzulehnen. Die Partei des Rechtspopulisten Wilders hat den Antrag für die entsprechende Resolution gestellt. Der Staatssekretär für Finanzen, Eric Wiebes, hat noch vor Kurzem verlauten lassen, dass die Niederlande keine Steueroase seien, aber die Zahlen der SEO-Studie sprechen eindeutig dagegen. Die Dividenden allein, die an die Briefkastenfirmen gingen, haben um das Fünffache zugenommen – von 2004 bis 2012. In Zahlen: Ein Anstieg von 13,1 auf 72,7 Milliarden Euro.

 

Oberstes Bild: © antos777 – shutterstock.com

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