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„Unknown Identity“: Film ohne Identität

08.04.2011 |  Von  |  Beitrag

Es gibt Filme, die an den Kinokassen floppen – und das zu Recht. Dann gibt es Filme, die in den Kinos Erfolg haben – und das ebenfalls zu Recht. Schliesslich gibt es auch Filme, die in den Kinos Erfolg haben, bei denen man sich fragt: Warum eigentlich?

Zur letzten Kategorie gehört der Action-Film „Unknown Identity“ (2011). Von der Mehrheit der Kritiker wurde er positiv aufgenommen, am Wochenende nach dem Kinostart (18. Februar 2011) lief der Film in den USA auf Platz 1 der Kinocharts. Auch auf der Berlinale 2011 lief er ausser Konkurrenz.

Es sei dahingestellt, wer denn nun Recht hat, die Mehrheit oder ich. Mein Resümee lautet jedenfalls: Der Film ist eben kein „besonderer Leckerbissen“ für Fans des Genres, wie „Cinema“ behauptet, sondern ein zusammengeschusteter, klischeebeladener und letztlich öder Actionstreifen, der sich an einem Thema versucht, das man anderswo längst spannender und stimmiger umgesetzt sah (z.B. in „Bourne Identity“).

Das einzig wirklich Positive an dem Film ist Liam Neeson in der Hauptrolle. Grossartig versteht es der Schauspieler, sensible Verletzlichkeit wie auch heldenhafte Stärke zu verkörpern. Sicher würde man Neeson auch gebannt zuschauen, wenn er eine Heimwerkersendung moderieren würde. Das macht eine Heimwerksendung aber noch nicht zu einem Filmereignis. Und ein solches ist auch „Unknown Identity“ gewiss nicht.

Konfuse Story

Zu offenkundig sind die Logikkrater der Story, über die der Film mit hohem Tempo hinweg zu brettern versucht: Was nützt schon das Tempo, wenn die Spannung fehlt? Zu punkten versucht der Film mit trübem Berliner Kolorit. Hat die düstere Atmosphäre anfangs noch ihren Reiz, nervt das diffuse Halbdunkel in Verbindung mit der abstrusen Handlung bald nur noch.

Bemerkenswert ist, was andere Kritiker an dem Streifen Positives zu entdecken glauben. So lobt der Filmwissenschaftler Ekkehard Knörer ausgerechnet die „Drehbuchintelligenz“ des Films. Wie weit es damit her ist, lässt sich ja mal überprüfen. Kurz zum Plot:

Der Wissenschaftler Dr. Martin Harris (Liam Neeson) ist mit seiner Frau Elizabeth (January Jones) nach Berlin unterwegs, um auf einem Biotechnologiekongress eine Rede zu halten. Bei einem schweren Taxiunfall stürzt sein Taxi in die Spree. Die Taxifahrerin (Diane Kruger) rettet ihn. Als Dr. Harris im Krankenhaus zu sich kommt, hat er Erinnerungslücken. Seine Frau erkennt ihn nicht mehr wieder, an ihrer Seite ist ein anderer Mann (Aidan Quinn), der sich als Dr. Harris ausgibt – und schon bald sind auch Killer hinter ihm her. Dr. Harris begibt sich mit Hilfe der Taxifahrerin Gina und einem Ex-Agenten der Stasi (Bruno Ganz) auf die Suche nach seiner Identität.

Diane Kruger (Urheber: nicolas genin – Wikimedia Commons)

So weit, so gut. Doch wie versucht der Film zum Beispiel, glaubhaft zu machen, dass Dr. Harris seine Identität nicht ermitteln kann? Hierzu wird eine Reihe unglücklicher Zufälle konstruiert. Pech Nr. 1: Alle Papiere von Dr. Harris sind in einem verschwundenen Koffer. Pech Nr. 2: Es ist Thanksgiving-Tag und die US-Botschaft hat geschlossen. Pech Nr. 3: Dr. Harris’ Freund Professor Rodney Cole, der ihn identifizieren könnte, ist telefonisch nicht erreichbar. – Andererseits helfen Dr. Harris glückliche Zufälle, seine Identität wieder zu erlangen: So läuft, just nachdem er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, ein Fernsehbericht über die Biotechnologiekonferenz, die ihn an den Zweck seines Besuches erinnert. Nur gut, lief da nicht gerade der Wetterbericht…

Actionfilm – oder  Satire auf einen solchen?

Nun ist es ja richtig, dass in einem Actionfilm Dinge passieren dürfen, die im normalen Leben nicht vorkommen. Wenn sich aber die Unwahrscheinlichkeiten derart penetrant häufen – und dies war nur ein kleine Ausschnitt –, ist der Grat zur unfreiwilligen Satire überschritten. Beim Zuschauer entsteht das schale Gefühl, dass hier nur Klischees abgehandelt werden. Ein solches Klischee ist auch das Auftreten von Bruno Ganz als Ex-Stasi-Agent: Hier hat der Drehbuchschreiber wieder einen dicken Haken in seiner Zutatenliste gesetzt – denn wo Berlin vorkommt, muss natürlich auch ein ehemaliger Stasimann an der Ecke lauern, oder?

Kommen wir zur grössten dramaturgischen Schwäche: Der Zuschauer will nämlich gar nicht mitfiebern bei Dr. Harris’ Versuchen, seine Ehefrau zurückzubekommen bzw. sie zu beschützen: January Jones gibt mit ihrem ausdruckslosen Spiel eine so fade Ehefrau ab, dass man sich fragt – warum eigentlich der ganze Aufwand ihres Gatten? Von Anfang an wünscht sich der Zuschauer, dass Dr. Harris ins Taxi zur schönen Gina steigt und das graue Berlin weit hinter sich lässt – mit welcher Identität auch immer. So einfach lässt der Film den Zuschauer aber nicht davonkommen: Für diesen sind 114 Minuten Geduldsprobe angesagt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Unknown_Identity

– Und deine Meinung zum Film? –

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